Freitag, den 10.09.2021: Tjøtta – Sandnessjøen
Die Sonne scheint. Vormittags ist NE-Wind angesagt, der dann im Laufe des Tages nach N drehen soll. Gleich hinter der Hafenmole setzen wir Groß und Genua und Segeln flott um die Südspitze von Tjøtta herum und dann nach Norden entlang des Westufers von Alsta, der Insel mit den beeindruckenden sieben Schwestern. Sieben über 1000 m hohe Berge in einer Reihe. Bei der Engstelle von Sørvik dreht der Wind endgültig auf Nord. Ab jetzt müssen wir Aufkreuzen. Anfangs haben wir einen erstaunlich großen Wendewinkel, der mit der Zeit immer kleiner wird, wie man am Track gut sehen kann. Erst schiebt wohl der Golfstrom, dann kommt uns der Tidenstrom mit mehr als einem Knoten entgegen. Den Tidenstrom sollten wir wohl genauer einkalkulieren.
Nach einem schönen Segeltag erreichen wir Sandnessjøen noch vor 18 Uhr. Auf einem kurzen Rundgang durch den Ort stellen wir fest, dass gerade ein kleines Festival stattfindet. Es gibt viele Essensstände, die aber leider gerade schließen. In einem Supermarkt im Amfi finden wir frischen Lachs, den wir uns an Bord schmecken lassen. Danach sitzen wir noch lange zusammen und grübeln über die Strategie, wie wir in den nächsten Tagen auf die Lofoten kommen können.
Abfahrt 09:45 | Ankunft 17:40 | ||
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Luft 12°, 1016-1014 mbar, leicht bewölkt, Wind NO 12kn – NNO 9kn – N 14-16kn |
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Distanz (sm) |
Gesamt | Segel | Motor |
Tagesweg | 30 | 29 | 1 |
Übertrag | 78 | 70 | 8 |
Summe | 108 | 99 | 9 |
Der Karivika Gjesthavn in Sandnessjøen hat vier Schwimmstege, die hauptsächlich für Gäste gedacht sind. Sie werden aber auch von Fischern und Taxibooten benutzt. Einige Fischer verkaufen hier ihren Fang direkt vom Schiff. Manchmal gibt es auch Walfleisch.
Bezahlt wird am Parkautomaten mit Kreditkarte. 100 NOK Liegegebühr und 50 NOK für Strom pro Tag.
Dusche und Waschmaschine können im Hotel am Parkplatz benutzt werden (im Bild recht das hohe Haus). Die Preise sind mit 75 NOK für eine Dusche und 50 NOK für einen Waschgang ziemlich heftig. Bezahlt wird per VIPPS, also nichts für Ausländer oder am Kiosk beim Parkplatz, der jetzt im September geschlossen ist.
https://www.helgelandhavn.no/vare-havner/karivika-gjestehavn
Amfi
ist eine Kette von ca. 50 Einkaufszentren in Norwegen. Die einzelnen Geschäfte werden von Franchise-Ketten betrieben. https://amfi.no/
In the same Boat
In the same Boat ist eine NGO, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die norwegische Küste vom Müll zu befreien. Sie hat inzwischen 3 Segelschiffe und 12 Arbeitsboote. Ca. 1000 Leute aus aller Herren Länder stehen auf einer Warteliste, um mitzumachen. Während der Coronapandemie hatten sie in Bergen und Finnmark ein Haus gemietet, weil es sich auf den Segelschiffen mit den Hygienemaßnahmen nicht ausging. Inzwischen brauchen sie nicht weiter zu wachsen. Sie haben genügend Helfer, um alle 5 Jahre (so der Plan) die norwegische Küste komplett zu reinigen. Rolf-Ørjan Høgset, einer der Gründer, den wir in Sandnessjøen getroffen haben, lässt sich seit Jahren einen Bart wachsen. Er will so lange durchhalten, bis „ITSB“ vom Staat unterstützt wird, bzw. bis der Konflikt zwischen kommerzieller und ehrenamtlicher Strandreinigung geklärt ist. Siehe hierzu auch den Artikel auf der Webseite von In the same Boat.
https://www.inthesameboat.eco/
Samstag, den 11.09.2021: Sandnessjøen
Eigentlich wollen wir mit unseren Fahrrädern und Rucksäcken zu einem großen Einkauf aufbrechen. Aber um den kleinen Markt am Hafen kommen wir nicht herum.
In dem großen Zelt mit drei Spitzen wird heute Abend ein elegantes Abendessen mit mehreren Gängen angeboten. Jeder Gang wird von einem anderen Restaurant aus Sandnessjøen zubereitet. Als erstes stolpern wir aber über einen Stand von „In the same Boat“. Dies ist eine NGO, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die norwegische Küste vom Müll zu befreien, der angespült wird. Den Gründer von „In the same Boat“ hatten wir zum ersten Mal 2018 in Bronnøysund getroffen. Seitdem verfolgen wir seine Aktivitäten über Facebook. An ihrem Stand machen sie ein Quiz, das wir zu lösen versuchen. Dabei kommen wir mit einer Deutschen aus der Nähe von Münster ins Gespräch. Sie studiert in den Niederlanden International Business Developement und macht gerade bei „In the same Boat“ ein Praktikum.
Fahrradtour
Irgendwo soll es ein sagenumwobenes Langhaus geben. Nur finden können wir es nicht. Der Weg unten am Meer wird bald unwegsam. Wir müssen also doch über den Berg zur Hauptstraße N17. Auf der N17 waren wir von Süden her zum Petter Dass Museum geradelt. Hier erscheint uns die N17 aber nicht so geeignet zum Fahrradfahren. Also drehen wir um und kämpfen uns stattdessen durch ein Wohngebiet einen beachtlichen Berg hoch. Auf der anderen Seite geht es sanft bergab zu der weitschweifigen Bucht Botn mit Badeplätzen und zahlreichen Hütten. Während wir uns am mitgebrachten Tee erwärmen, schauen wir interessiert zwei Jugendlichen zu, die ein großes Sofa in ein Ruderboot verfrachten und dieses dann mit einem Motorboot in Schlepp nehmen. Sie wollen damit wohl zu einer der entfernteren Hütten am Südufer der Bucht.
Nach der Fahrradtour haben wir das dringende Bedürfnis zu duschen und wir wollen auch den sich angesammelten Berg schmutziger Wäsche waschen. Laut der Beschreibung am Parkplatz gibt es Duschen und Waschmaschine im zweiten Stock des Hotels hinter dem Parkplatz. Das Hotel wird ohne Personal betrieben. Schließlich finden wir uns zurecht. Wir duschen und werfen zwei Waschmaschinen an. Da wir die einzigen sind, lassen wir die Wäsche über Nacht laufen.
Sonntag, den 12.09.2021: Sandnessjøen
Es regnet. Also machen wir uns einen gemütlichen Vormittag an Bord. Gegen Mittag haben wir gerade den Tisch zum Essen gedeckt als es klopft. Magne mit Karl-Johan und Magne2 stehen am Steg. Es regnet noch leicht. Also erst mal rein in die gute Stube. Magne wollte Karl-Johan und Magne2 mit Karls Auto nach Støtt fahren, wo sie Bjørns Boot abholen wollten, um es nach Bronnøysund zu segeln. Es soll vor dem 19.09.2021 noch an Land gebracht werden. Danach steht der Kran erst mal einige Monate nicht zur Verfügung, weil sich Sigurd einer Knie-OP unterziehen muss. So jedenfalls der Plan. Nun hatte sich heute aber die Fähre nach Tjøtta verspätet, weshalb das Schnellboot nach Støtt in Sandnessjøen für sie nicht mehr erreichbar war. Magne hatte die Beiden beschwichtigt und ihnen prophezeit, dass sie bestimmt einen schönen Abend in Sandnessjøen haben werden. Und jetzt treffen sie uns hier. Noch dazu liegt gegenüber am Steg eine Bavaria von Sail Norge. Und zwar genau das Schiff, das Karl-Johan vor einiger Zeit mit defektem Autopiloten von den Lofoten hier her überführt hatte. Karl ruft den Eigner an. Natürlich dürfen sie auf der Bavaria übernachten. Noch besser wäre es, wenn sie das Boot, nachdem es am Montag repariert ist, gleich mit nach Bronnøysund nehmen könnten. Also werden sie Bjørns Schiff zusammen nach Sandnessjøen segeln, und dann beide Schiffe weiter nach Bronnøysund bringen. Erstaunlich wie sich manchmal alles fügt.
Magne muss wieder zurück nach Bronnøysund. Wir laden Karl-Johan und Magne2 zum Abendessen ein. Während die Beiden in die Stadt verschwinden machen wir die Wäsche fertig. Auf einem kleinen Spaziergang entdecken wir ein am Sonntag geöffnetes Lebensmittelgeschäft. Es ähnelt dem in Kristiansund, wird auch von einem Syrer betrieben und man bekommt vor allem türkische und asiatische Lebensmittel. Das Fleisch überzeugt uns nicht. Wir entdecken aber Edamame und Kerstin beschließt zu improvisieren.
Zurück im Schiff bereiten wir das Abendessen zu. Karl-Johan und Magne2 kommen pünktlich um 19h und erstmal wird gefuttert. Das Gespräch driftet derweil ins Politische. Morgen findet die Parlamentswahl statt. Auch hier erhitzen sich die Gemüter an den gleichen Themen wie bei uns. Corona und Klima stehen ganz oben auf der Liste.
Wir halten uns zurück und das Gespräch nimmt bald in eine andere Richtung.
Vom Naserümpfen über Elektroautos und der Frage wie das mit selbstfahrenden Autos gehen soll kommen wir zu selbstfahrenden Schiffen. Jetzt werden alte Geschichten aus der Seefahrt erzählt. Karl, der 16 Jahre zur See gefahren ist, erzählt von einem Schiff, auf dem er lange war und dass das erste Schiff war, das automatisch hätte fahren können, wenn es denn erlaubt gewesen wäre. Es stellt sich heraus, das Magne2 an dem Schiff mitgebaut hat. Karl erzählt, dass der Eigner während der Ölkrise in den 70er Jahren Selbstmord beging. In der Nähe von Haugesund wurde ein großer Ankerplatz für die Tanker ausgewiesen, die wegen der Ölkrise nicht gebraucht wurden. Besagtes vollautomatisches Schiff wurde an Ankern und mit Trossen an Pollern, die extra zu diesem Zweck in den Felsen gebaut worden waren, festgemacht. Plötzlich gab es einen Stromausfall an Bord und nachdem ein Notstromaggregat angesprungen war fing die Maschine an zu laufen und riss die Poller aus der Wand, als wären sie aus Pappe. Mehrere Schlepper kämpften die ganze Nacht darum, das Schiff auf Position zu halten. Am Ende beging der Eigner Selbstmord.
Das Gespräch wendet sich der Gegenwart zu und unserem Plan für die nächsten Tage. Nachdem wir unser Vorhaben geschildert haben mit dem anhaltenden Südwind über Myken nach Røst zu segeln bekommen wir noch ein paar lokale Geschichten zu hören. Magne2s Frau ist aus Røst und er hat Verwandtschaft auf Nesøya. Der Segelclub hat dort ein Clubhaus. „Den Zugangscode dazu könnt ihr euch leicht merken“ meint er grinsend. Es ist eine Seemeile in Metern.
Dann frage ich nach Lyngværøya, einer kleinen Insel, die auf der Fahrt nach Røst einen guten Zwischenstopp mit ihrem Ankerplatz abgeben wårde. Ob man dort ankern kann, wie es im Hafenhandbuch steht oder nicht wie Navionics meint (zu geringe Tiefe). „Welches von den zwei Lyngværøyas meinst du denn?“ kommt erst Mal als Entgegnung. Bei einem Blick in die Karte einigen wir uns schnell auf das richtige Lyngværøya und sind uns auch darin einig, dass die Navionics App hier falsch liegt.
Dann erzählt Magne2 davon, wie schön es auf Myken ist. Dass es dort nicht nur die nördlichste Whiskybrennerei der Welt gibt, sondern überhaupt. Eine Studentin hat sich mal zum Schreiben ihrer Magisterarbeit nach Myken zurückgezogen. Sie fand es so schön dort, dass sie das alte Schulhaus kaufte. Inzwischen ist sie Lehrerin in Mo i Rana und betreibt in den Sommermonaten auf Myken im alten Schulhaus ein Restaurant. Wieder ein Beispiel für die Erfindungsgabe der Norweger bei ihrer Berufswahl.