Estland mit Saaremaa und Tallinn (19.08.-01.09.2016)
Ein kleiner Exkurs oder wie kommt der Wetterbericht an Bord der Barrabas:
Den Wetterbericht holen wir uns regelmäßig vom Sender Pinneberg mit unserem ICOM IC-7200 und angeschlossenem PC. Dazu verwenden wir das Programm MeteoCom von Bonito. Bei Internetempfang können wir uns über diese Software detaillierte Wind- und Wettervorhersagen für mehrere Tage herunterladen. Auch lade ich mir gerne über www.wetterzentrale.de Wetterkarten vom DWD oder britischen MetOffice auf den PC, wobei die britischen Karten übersichtlicher sind. Auf der Wetterzentrale findet man auch Wetterdiagramme, die die Veränderung des Wetters an einem ausgewählten Ort über längere Zeit grafisch darstellen, was manchmal sehr nützlich ist. Ähnliches kann auch die Handy-App Windfinder, die das ganze abrundet. Unsere Versuche GRB-Daten per Handy anzufordern und diese dann auf dem Plotter darzustellen, haben zwar geklappt, aber die Darstellung des Wetters in der Seekarte ist so unübersichtlich, dass wir diesen Weg nicht weiterverfolgen.
Die mittelfristige Vorhersage für die Ostsee des DWD (Seewetterdienst Hamburg) verspricht ruhiges Wetter mit leichten Winden aus Ost, die auf Südost drehen und etwas zunehmen. Unter diesen Voraussetzungen wollen wir in einem Rutsch bis zur Insel Saaremaa in Estland durchsegeln.
Der Hafen von Kuressare ist für uns zu flach, wir steuern die Marina in Roomassaare an.
Beim Anlegen hilft uns der freundliche Hafenmeister. Danach hisst er als erstes eine deutsche Fahne. Dieser Brauch ist uns noch nie so aufgefallen. An den zehn Fahnenmasten für die Gastlandsflaggen hängen jetzt eine estnische, eine deutsche und eine Europafahne. Später kommt noch eine polnische dazu.
Wir genießen die Sauna und lassen uns anschließend in dem kleinen Restaurant verwöhnen.
Mit den Rädern machen wir einen Ausflug nach Kuressare (Arensburg), wo wir als erstes im Saaremaa Museum in der Bischofsburg hängen bleiben. Hier kann man sich eine ausführliche Lektion in estnischer Geschichte abholen von der wir bisher nur wenig gewusst haben. Ein Zitat des ehemaligen Präsidenten erklärt das in etwa so: „Uns braucht niemand etwas über totalitäre Ideologien zu erzählen. In jeder Familie gibt es jemanden, der auf deutscher Seite stand, einen der auf sowjetischer Seite stand und einen der geflohen ist.“ Die Geschichten, die dahinter stecken sind nur schwer zu ertragen.
Das nächste große Ziel heißt Tallinn, das wir in drei Etappen über Muhu und Dirhami erreichen wollen.
Nach Richtfeuerlinie fahren wir aus dem Hafen. Die Fahrrinne ist schmal. Bald haben wir die Engstelle hinter uns und setzen Segel. Am Nachmittag kommen von Westen pechschwarzen Regenwolken auf. Wir reffen und ziehen Ölzeug an. Am Radar verfolgen wir, wie sich der Regenvorhang hinter uns langsam nähert. Doch wir haben Glück und bleiben verschont. Was für ein toller Segeltag. Noch im Ölzeug schwitzend erreichen wir bei Sonnenschein den kleinen Hafen Kuivastu. Kaum sind wir in die Hafeneinfahrt eingebogen winkt uns der freundliche Hafenmeister und weist uns einen bequemen Platz längsseits an der Kaimauer zu. Auch er hisst als erstes die deutsche Fahne, die hier neben einer finnischen hängt.
Wir packen die Räder aus und erkunden die Insel.
Als erstes kommen wir zum Gutshaus Pädaste,
heute ein kleines, feines Hotel, in dem Charlotte von Siemens, die Tochter des Firmengründers Werner von Siemens, mit ihrem Mann Axel von Buxhoeveded um 1900 gelebt hat. Weiter geht es
nach Koguva, das zum Teil bewohnt, aber trotzdem ein Museumsdorf ist.
Zurück im Hafen sind wir nach 50km Radtour ordentlich durchgeschwitzt. Wir erzählen dem Hafenmeister unsere Erlebnisse und er reserviert uns für eine Stunde exklusiv die Sauna.
Am nächsten Morgen verabschiedet er uns per Handschlag. Er hat sich sehr gefreut, dass wir Muhu besucht haben. Wir haben uns auf Muhu sehr wohlgefühlt. Die 50 sm nach Dirhami schaffen wir allein unter Segeln, zum Teil gerefft bei bis zu 20 kn aus SW. Die Weiterfahrt nach Tallinn verläuft problemlos.
Vor der Einfahrt nach Tallinn muss man sich bei der Traffic Control anmelden. Wir müssen tatsächlich warten, bis ein Kreuzfahrtschiff den Hafen verlassen hat. Die großen Schiffe drehen selbständig im engen Hafenbecken und denen will man lieber nicht in die Quere kommen.
Wir bleiben vier Tage in Tallinn. Diese Stadt ist überwältigend. Der mittelalterliche Stadtkern ist fast vollständig erhalten und man entdeckt bei jedem Spaziergang wieder neue pittoreske Ecken. Auf einer Führung begeistert uns ein engagierter Geschichtslehrer einmal mehr für Stadt und Land.
Wir machen Ausflüge zum Fernsehturm, der 1991 eine wichtige Rolle im Widerstand gegen die Sowjetunion spielte und wir besuchen den Sängerplatz auf dem alle 5 Jahre das Liederfest stattfindet. Die estnischen Lieder gehören zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO. Übrigens wurde die berühmte Minox Kamera in Tallinn erfunden. Kerstin kann das gar nicht glauben, ist sie doch in Heuchelheim mit den Minoxwerken großgeworden.