Was für ein Segeljahr! Nach einer Woche rund Elba geht es gleich weiter mit einem Überführungstörn von Nizza nach Malaga.
Auf einem Urlaubstörn kann man sich erholen, man kann sich abstimmen und den weiteren Weg gemeinsam beschließen.
Auf einem Überführungstörn müssen längere Distanzen zu festgelegten Zeiten zurückgelegt werden. Es gibt Nachtfahrten. Bei uns ist die Crew zusammengewürfelt, mit einem Kern von vier Leuten, der sich gut kennt, von denen aber zwei absolute Greenhorns sind und zwei Fremden, die immerhin den A und BR-Schein haben.
Schon am ersten Tag zeigt sich, dass Segeln etwas damit zu tun haben könnte, dass man dort, wo andere Urlaub machen, sein Schiff repariert. Das Unterliek der Genua ist ausgerissen. Glücklicherweise finden wir gleich am nächsten Morgen einen Segelmacher, der uns das repariert.
Ich habe während des Pazifiktörns meine ersten Nachtfahrten erlebt und mich dabei an sie gewöhnen können. Draußen auf See war das kein Problem. Aber hier geht es von Porquerolles auf den Îles d’Hyères nach Puerto Mahon auf Menorca und ich bin der Skipper. Schon bald sehen wir den Lichtschein von Mahon. Ich erlebe zum ersten Mal einen Landfall bei Nacht. Wie diffuser Lichtschein immer mehr Details preisgibt. Wie man zwischenzeitlich in die Irre geführt wird, bis man weitere Details wahrnimmt, nur um zu erkennen, dass die Hafeneinfahrt doch woanders ist, weil sich das Leuchtfeuer auf der Mole als Verkehrsampel entpuppt. Mitten in der Nacht laufen wir in den beeindruckenden Naturhafen ein, in dem schon Odysseus Schutz gesucht hat.
Am nächsten Tag wollen wir uns erholen und beschließen erst nach dem Abendessen auszulaufen. Im Hafen ist es ruhig. Wenn man wollte könnte man eine sanfte Brise auf der Haut spüren. Wir schleichen uns durch die Gasse der befeuerten Fahrwassermarkierungen hinaus auf die offene See. Kaum haben wir den Hafen verlassen frischt es auf und auf Höhe der südlich vorgelagerten Insel Isla del Aire kriegen wir gewaltig einen auf die Mütze. Es blitzt und donnert und Böenwalzen bis 45 kn fegen über uns hinweg. Das 2. Reff ist dringend notwendig. Es hilft uns aber nur das Schiff wieder in den Griff zu bekommen. Es macht keinen Sinn, sich weiter dem Gewitter auszusetzen und so fahren wir wieder zurück in den sicheren Hafen in dem sich wieder, so wie vorher, kein Lüftchen rührt. Der Hafenmeister begrüßt uns verschlafen, als hätte er gewusst, dass wir wiederkommen würden.
Am nächsten Morgen starten wir erneut und haben eine angenehme Überfahrt nach Porto Cristo auf Mallorca. Mitten zwischen den Inseln versuchen wir uns am Mittagsbesteck, jenem althergebrachten Ritual der Standortbestimmung zur Mittagszeit mithilfe eines Sextanten. Es funktioniert ganz gut. Nur unsere Uhr geht wohl falsch.
Über Ibiza wollen wir San Antonio am Festland ansteuern. Aber die Winde lassen nicht zu, dass wir südlich des Cabo de la Nao das Festland erreichen und so verdrücken wir uns gegen Mitternacht in den Hafen von Denia. Wirklich beeindruckend ist die Ausfahrt am nächsten Morgen. Jetzt erkennen wir, wie schmal die lange Fahrrinne ist, durch die wir nur von Ober- und Unterfeuer geleitet gestern Nacht in den Hafen gefahren sind. Mir kommt es fast so vor, als wäre es im Dunkeln einfacher gewesen.
Wir fahren weiter entlang der spanischen Küste nach Süden. In der Nähe von Cartagena wollen wir eine nächtliche Pause vor Anker einlegen. Als während des Ankermanövers in einer verschlafenen Bucht plötzlich ein Scheinwerfer aufblendet und ein Schnellboot der spanischen Küstenwacht längs kommt. Mitten während des Ankermanövers dröhnen schwere Stiefel an Deck und Uniformierte zeigen uns ihre Maschinenpistolen. Ich versuche mich stur darauf zu konzentrieren, dass man als Schiffsführer immer zuerst das Wohl seines Schiffes im Auge haben soll. Es ist Nacht, die Mannschaft ist aufgeregt, weil der Anker noch nicht greift. Kerstin steht am Bug und bedient den Anker. Ich kann sie wegen der Dunkelheit nicht erkennen und wegen der Maschinenpistolen vor Augen auch nicht hören. Das Adrenalin scheint da so manches umzuschalten. Als ich den Eindruck habe, dass der Anker hält, spucke ich im Kegel meiner Taschenlampe ins Wasser um zu beobachten ob das Schiff bei Vollgas rückwärts abtreibt oder der Anker tatsächlich hält. Die Spucke bewegt sich nicht vor oder zurück. Der Anker hält. Motor aus.
Die Kontrolle ist kurz und sachlich. Man will nur unsere Pässe sehen. Dann verlassen die Beamten wieder unser Schiff. Susanne, die Spanisch spricht, erzählt anschließend, dass der Cheff der Truppe ihr gesagt hätte, der Skipper habe gut navigiert. So ein Lob aus berufenem Munde geht natürlich runter, wie Öl.
In den nächsten Tagen schaffen wir es noch bis Roquetas de Mar, knapp 200 km vor Malaga. Den Hafen erreichen wir bei südwestlichen Winden mit kräftigen 8-9 Beaufort. Am nächsten Tag stürmt es weiter, so dass wir es nicht mehr bis Malaga schaffen und das Schiff hier an die nachfolge Crew übergeben müssen.
Das war mein aller erster Segeltörn!
Den ersten Tag auf See vergisst man nicht. Schon am ersten Tag gibt es ordentlich Wind und das Schiff schiebt Lage. Ob das Schiff das aushält? Mir ist schlecht! Genau genommen kotz-übel. Ich sitze an Luv (klar, oben erscheint sicherer als unten, wo die Bordkante immer wieder ins Wasser eintaucht). Dann ist es so weit, ich müsste mich mal kurz über die Reling neigen. Kerstin sagt noch „aber bitte auf der anderen Seite“. Ich schaue nach unten, wo ich jetzt hin müsste. Ich entscheide mich, meinen – für mich sicheren – Platz nicht zu verlassen, schlucke alles wieder runter. Den restlichen Tag versuche ich, nicht ans Segeln zu denken. Nicht so einfach, wenn die Segler an Bord von „das Schiff läuft aus dem Ruder“, „Windstärke 6“, „wir müssen reffen“ und Ähnlichem sprechen und ich keine Ahnung habe, ob das nun gut oder schlecht ist. Es gibt ein Foto von mir von diesem Tag: ein Häuflein Elend im Friesennerz.
Der zweite Tag auf See ist dann schon etwas besser. Das Schiff liegt nicht mehr so schräg im Wasser. Zwar sprechen die Mitsegler nun von 7 Beaufort und es ist nur mehr das Vorsegel oben, aber ab jetzt kann es nur mehr besser werden. Als dann immer wieder kleine Stücke vom Segeltuch wegfliegen, bin ich doch ein wenig beunruhigt. Nachdem aber Peter nach Überprüfung nur meint: „das müssen wir nähen lassen“, denke ich, so schlimm wird es schon nicht sein.
Die Nachtanfahrt auf Mahon ist sensationell. Peter und Kerstin haben mir inzwischen ein paar Grundbegriffe der Segles und der Navigation erläutert. Ich versuche bei der Erkennung der Fahrwassertonnen mitzumachen. Gar nicht so einfach. Und dann blitzt es wieder grün auf. Dort ist doch gar keine Tonne. Oder doch? Wieder ein Blick auf die Karte. Ach ja, das ist die Tonne dahinter. Aber die Kennung stimmt nicht. Peter hat es schon erwähnt. Es gibt auch Ampeln!
Als wir am nächsten Abend Mahon wieder verlassen, gehe ich, nachdem wir das Fahrwasser hinter uns gebracht haben, in die Koje. Ich merke bald, dass es wohl mehr Wind gibt. Und dann bin ich schon aus meiner Koje raus gefallen. Ich höre die Schritte meiner Mitsegler am Vorschiff, das Schlagen der Segeln und Schoten. Ich bekomme es ein wenig mit der Angst zu tun. Also nichts wie anziehen und rauf an Deck. Bis ich in meinen Klamotten endlich drinnen bin, ist mir wieder schlecht. Als ich dann mitbekommen, dass wir umkehren, bin ich erleichtert.
In den darauffolgenden Tagen gewöhne ich mich immer besser an das Bordleben. Die Übelkeit ist wie verflogen. Ich versuche mitzuhelfen, bei Wenden an der Vorschot, beim Kochen und Spülen, es beginnt mir richtig Spaß zu machen.
Als die Guardia Civil nachts mitten im Ankermanöver plötzlich neben uns auftaucht und an Bord kommt, steht Peter wie ein Fels in der Brandung am Steuer, ruft Kommandos und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Mit diesem Skipper kann man sich auf die Meere wagen.
Am letzten Segeltag gibt es wieder richtig Wind. Das Schiff schiebt mindestens genauso Lage wie am ersten Tag, ich empfinde das inzwischen als Herausforderung. Die Bordküche schafft nur mehr Nudelsuppe und Hartweizen-Kekse mit Schmalzfleisch zu servieren. Beim Versuch die Nudelsuppe oben zu essen, fliegen die Nudeln aus dem Löffel davon. Naja, Schmalzfleisch ist auch lecker!
Mein erster Törn hat mir – als die Startschwierigkeiten vorbei waren – richtig Spaß gemacht. Das Bordleben, der Umgang mit Wind, Wetter und Schiff, die Navigation, als das war für mich sehr interessant und spannend. Ich war ja ein absolutes Greenhorn, als ich an Bord kam. Kerstin und Peter haben mir viel beigebracht und die Freude am Segeln geweckt.